Umkehr von Täter und Opfer – Erinnerung an die Ermordung von Shlomo Lewin und Frida Poeschke

An die Ermordung von Shlomo Lewin und Frida Poeschke erinnert diese Podcastfolge. Die Gäste sind Anna von der „initiative kritisches gedenken erlangen“ sowie Uffa Jensen, stellvertretender Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der technischen Universität in Berlin. Das Gespräch dreht sich unter anderem um die Täter Opfer Umkehr und die Dethematisierung des antisemitischen Tatmotivs in der Behandlung und medialen Berichterstattung des Gewaltakts.

Zum Ereignis

Am Abend des 19. Dezembers 1980 werden der Rabbiner Shlomo Lewin und seine Partnerin Frida Poeschke in ihrem Erlanger Haus von einem Neonazi erschossen. Obwohl unmittelbar starke Indizien auf die örtliche Neonazi-Szene verweisen, ermittelt die Polizei nach diesem antisemitischen Mord zunächst im Umfeld der Getöteten; auch in der Darstellung vieler Medien erscheinen Lewin und Poeschke als unredliche Personen. Der Täter, ein Mitglied der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG), kann sich ins Ausland absetzen. 

Diese Vorgänge, auch die öffentliche posthume Diffamierung des Mordopfers Opfers Shlomo Lewin sowie Verfertigung der antisemitischen Verschwörungserzählung durch den Rechtsextremisten Karl-Heinz Hoffmann, sind seit 2011 von Ulrich Chaussy für die Gesellschaft für Christlich- jüdische Zusammenarbeit und die Stadt Erlangen erforscht und herausgearbeitet worden. Sie lassen sich in seinen Büchern „Oktoberfest. Das Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann“ (2014) und „Das Oktoberfestattentat und der Doppelmord von Erlangen. Wie Rechtsterrorismus und Antisemitismus seit 1980 verdrängt werden“ (2020) im Detail nachlesen.

Verwendung des Redeausschnitts von Shlomo Lewin mit freundlicher Genehmigung des Instituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) e.V. 

Literatur, Links und Hintergründe

Website der „initiative kritisches gedenken erlangen

Uffa Jensen (2022): „Ein antisemitischer Doppelmord – die vergessene Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik“. Die Publikation des Buches hat sich verschoben. Es erscheint im Suhrkamp-Verlag am 22.09.2022.

Website der Jüdischen Kultusgemeinde Erlangen

Das Interview mit Paul Spiegel ist zu sehen im Dokumentarfilm „Propaganda, Hass, Mord. Die Geschichte des Rechten Terrors“, Erstausstrahlung: ARD, 26.3.2012, abrufbar über Youtube.

Bei einem rechtsextremen Terroranschlag am Haupteingang des Oktoberfests in München starben am 26. September 1980 13 Menschen durch die Explosion einer handgefertigten Bombe.

Am 22. August 1980 sterben die beiden Vietnamesen Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân bei einem Brandanschlag auf ein Übergangsheim für Geflüchtete in der Halskestraße in Hamburg-Billbrook. Die Tat verübten Mitglieder der neonazistischen Terrororganisation Deutsche Aktionsgruppen. Sie gilt als einer der ersten rassistischen Morde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Der Mord an den beiden vietnamesischen Geflüchteten ist auch Thema einer Folge von Rice & Shine.

Allgemeine Informationen zum Mord, Rufmord und zu Shlomo Lewin und Frida Poeschke:

Ronen Steinke über den Mord und die Ermittlungen

Blumenthaler über Lewins Leben, die Wehrsportgruppe Hoffmann, den Mord und die Ermittlungen

Artikel von Przybilla und Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung über “Das Trauma von Erlangen

Zum Gedenken an Shlomo Lewin und Frida Poeschke:

Stadt Erlangen

Redebeitrag zur Woche der Brüderlichkeit, unter anderem von Ulrich Chaussy

Artikel der Jüdischen Allgemeinen Zeitung zur 40. Jährung des Doppelmords

Zum Thema der Kontinuitäten von Antisemitismus und Rechtsterrorismus:

Dissens-Podcast mit dem Gast Ronen Steinke

Ronen Steinke im Gespräch mit Philipp Schnee in dem Audiostück „Lehrbeispiel für den Umgang mit rechtem Terror

Zum Thema der Gewalt der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG):

Die rechtsextreme, paramilitärische Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) wurde 1973 von Karl-Heinz Hoffmann gegründet und bestand aus bis zu 400 Mitgliedern. Die WSG steht im Zusammenhang mit Rechtsterrorismus, so gehörten der Mörder von Lewin und Poeschke und der Bombenleger des Oktoberfestattentats, das im selben Jahr stattfand, zum Kreis der WSG.

Buch von Ulrich Chaussy “Das Oktoberfest-Attentat und der Doppelmord von Erlangen: Wie Rechtsterrorismus und Antisemitismus seit 1980 verdrängt werden” (2020)

Credits

Redaktion: Tanja Thomas, Fabian Virchow und Tobias Fernholz
Kokonzeption und Produktion: grasshopper kreativ
Moderation: Tanja Thomas und Fabian Virchow
Begleitmusik: Martin Pfeilsticker und Pia Fruth

Den Ereignisrückblick haben Master-Studierende der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Hochschule Düsseldorf produziert.

Credits Ereignisrückblick

O-Ton-Gebende: Vertreter der Initiative Kritisches Gedenken Erlangen, Sebastian Wehrhahn
Sprechende: Pia Fruth und Daniel Jacob
Projektmanagement: Carolin Wenzel
Recherche & Shownotes: Jana Machacek & Luisa Simon
Storyboard & Sprechtext: Julia Glass & Joerg Müller
Interview & Schnitt: Daniel Jacob
Exzerpieren: Anna Siemen