Rechte Gewalt gegen die Linke

Fabian Virchow

Die extreme Rechte sieht nicht nur im Liberalismus, sondern auch in der politischen und gesellschaftlichen Linken einen Hauptfeind; dies geht insbesondere darauf zurück, dass das dort vertretene Prinzip der Egalität der Gedankenwelt der extremen Rechten grundlegend entgegensteht. Darin ist die Idee natürlicher Ungleichheit – etwa zwischen den Geschlechtern oder zwischen den Ethnien – zutiefst verankert.

Lange Geschichte anti-linker Gewalt

Entsprechend lang ist die Geschichte anti-linker Gewalt auch nach dem Ende der NS-Diktatur in Deutschland. Zum Ziel geplanter Gewalt wurden dabei Gewerkschafterinnen, orthodoxe Kommunistinnen, linke Aktivistinnen, aber auch Symbole und Institutionen nicht-kapitalistischer Staaten und deren Streitkräfte. Schon im Technischen Dienst, einem Ableger des Bund Deutscher Jugend, wurden Listen mit Namen von SPD-Politikerinnen geführt, die ‚aus dem Verkehr‘ gezogen werden sollten. In den späten 1960er Jahren gab es zahlreiche Anschläge auf Büros und Buchläden linker Organisationen; ein Mordversuch richtete sich am 11. April 1968 gegen Rudi Dutschke, einen der sichtbarsten Vertreter der Bewegung der Studierenden. An den Spätfolgen der Tat starb er im Jahr 1979.

Die Gruppe zweiteroktober90 hat in ihrer Broschüre mit dem Titel Die Gewalt der Vereinigung das Ausmaß rechter Gewalt exemplarisch anhand des 2. und 3. Oktober 1990 verdeutlicht. Schwer bewaffnet, koordiniert und vielfach unter Beteiligung von Neonazis aus anderen Bundesländern wurden besetzte Häuser, soziokulturelle Zentren oder alternative Jugendtreffs angegriffen. So beispielweise in Weimar: Dort griffen 200 Neonazis das besetzte Haus Gerber 3 mit Brandsätzen, Gaspistolen und Pflastersteinen an; der Angriff konnte abgewehrt werden, in der folgenden öffentlichen Diskussion wurde den Besetzerinnen und den Linken jedoch Mitschuld gegeben und der Vorschlag gemacht, eine Räumung könne das Problem doch lösen. Auch politische Kundgebungen linker Gruppen wurden abgesagt, da die Polizei nach eigenen Angaben den Schutz nicht gewährleisten konnte. Ungezählt sind in den Folgejahren auch die Überfälle, meist in den ostdeutschen Bundesländern, bei denen Neonazis in Wohnungen eingedrungen sind, um dann die Bewohnerinnen zusammenzuschlagen und einzuschüchtern.

Zu erinnern ist auch an Gruppen wie die Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), die seit 1996 ihren Handlungsschwerpunkt auf die Einschüchterung und Vertreibung von Personen, die von ihnen als ‚links‘ eingestuft wurden, legte. Diese wurden zum Teil kurzzeitig gewaltsam festgehalten, um Fotos zu erstellen und andere Informationen zu erpressen; die Daten wurden systematisch in einem digitalen ‚Zeckenerfassungssystem‘ gespeichert. Auch der 2003 gegründete Sturm 34 bedrohte und attackierte insbesondere die politische Linke; dazu wurden planmäßig Treffpunkte angegriffen, in denen auch ‚Punker‘, ‚Ökos‘ und ‚Linke‘ verkehrten. Die späteren Opfer wurden dabei zum Teil im Zuge von so genannten ‚Skinheadkontrollrunden‘ ausgewählt, bei denen Mitglieder des Sturm 34 in und um Mittweida mit PKW patrouillierten. Die Gewaltpraxis war meist extrem und führte dazu, dass in der Region Mittweida in den Jahren 2006 und 2007 Angehörige der linken Szene oder alternative Jugendliche nicht mehr öffentlich sichtbar waren.

Internationale Parallelen

Bereits kursorische Blicke in andere Länder machen deutlich, dass terroristische Gewalt gegen die Linke zum Kern rechten Terrorismus gehört: Von den allein in Mailand im Jahr 1969 verübten 145 Anschlägen richtete sich die große Mehrheit gegen lokale Sektionen der Linksparteien sowie gegen Gewerkschaftsbüros. In Finnland wurden in den 1970er-Jahren Briefbomben und Brandanschläge auf Druckereien der dortigen Kommunistischen Partei, die Zentrale der Finnischen Demokratischen Jugendliga, die Botschaft Bulgariens sowie die Zeitung Kansan Uutiset verübt. In Spanien eskalierte rechtsterroristische Gewalt unmittelbar nach dem Ende der Franco-Diktatur; Gruppen wie Batallón Vasco Español, Guerrilleros de Cristo Rey oder Alianza Apostólica Anticommunista richteten ihre Gewalt insbesondere gegen Menschen, die der ETA zugerechnet wurden, sowie gegen die Linke. So wurden beim Atocha-Massaker am 24. Januar 1977 beispielweise fünf Mitglieder einer Gewerkschaft ermordet, die der Kommunistischen Partei nahestand.

Zweithäufigstes Gewaltmotiv

Nach der rassistisch motivierten Gewalt stellt anti-linke Gewalt die verbreiteste Gewaltart von rechts dar. Dass auch bei der Gewalt gegen die politische und gesellschaftliche Linke eine hohe Dunkelziffer vermutet werden kann, liegt daran, dass vielfach das Vertrauen in einen angemessenen Umgang seitens der Sicherheitsbehörden fehlt bzw. ‚die Linken‘ als tradiertes Feindbild in der Polizei handlungsleitend (gewesen) ist. Entsprechend wurde rechte Gewalt nicht immer zur Anzeige gebracht (und damit zählbar gemacht); bei der Organisierung von Schutzmaßnahmen vertraut ein Teil der politischen und gesellschaftlichen Linken denn auch eher auf eigene Strukturen.